Aktueller Beitrag von Dr. Koch 22.08.2025
Wie kann die Marktwirtschaft zur Vielfalt der Innovationen beitragen? – Eine Rückbesinnung auf Ludwig Erhard
Die Stimmung der deutschen und europäischen Wirtschaft ist inzwischen wieder etwas schlechter als vor einigen Wochen. Euphorisch war sie nie und jetzt verhagelt die von Trump inszenierte Deglobalisierung und der langsame Start der deutschen Regierung die Laune. Wir müssen zurück zu unserem wirklichen Problem.
Führende Wirtschaftswissenschaftler attestieren Deutschland zurzeit ein besorgniserregend niedriges Potenzialwachstum von lediglich einem halben Prozent. Wir brauchen mindestens eine Verdoppelung, sonst geht keine Rechnung auf. Dazu brauchen wir neue
Wie kann die Marktwirtschaft zur Vielfalt der Innovationen beitragen? – Eine Rückbesinnung auf Ludwig Erhard
Die Stimmung der deutschen und europäischen Wirtschaft ist inzwischen wieder etwas schlechter als vor einigen Wochen. Euphorisch war sie nie und jetzt verhagelt die von Trump inszenierte Deglobalisierung und der langsame Start der deutschen Regierung die Laune. Wir müssen zurück zu unserem wirklichen Problem.
Führende Wirtschaftswissenschaftler attestieren Deutschland zurzeit ein besorgniserregend niedriges Potenzialwachstum von lediglich einem halben Prozent. Wir brauchen mindestens eine Verdoppelung, sonst geht keine Rechnung auf. Dazu brauchen wir neue Produkte und Dienstleistungen, die so noch niemand in den wichtigen Märkten anbietet. Doch Innovationen kann die Politik nicht befehlen. Wir müssen uns mehr darum kümmern, wie wir zurück auf den Pfad der Ideenschmiede finden. Zu oft konzentrieren wir uns – auch ich in diesen Kommentaren – auf enge Einzelfragen. Die Sommerpause ist vielleicht ein Zeitpunkt, einmal etwas entspannter auf vermeintlich einfache Prinzipien zu schauen, an denen die Rückkehr zum „Land der Innovationen“ viel mehr hängt als an jeder einzelnen Maßnahme.
Der Thinktank unserer Stiftung, das Ludwig-Erhard-Forum für Wirtschaft und Gesellschaft befasst sich intensiv mit diesem Thema und ich möchte einige der Erkenntnisse weitergeben.
Innovation ist kein Zufallsprodukt. Sie entsteht dort, wo Menschen Ideen entwickeln, Risiken eingehen und Neues ausprobieren – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen lassen das zu. Die Soziale Marktwirtschaft, wie sie von Ludwig Erhard als wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Leitbild geprägt wurde, bietet genau diesen Rahmen: Sie verbindet wirtschaftliche Freiheit mit einem klaren Ordnungsrahmen, der Wettbewerb sichert, Eigentum schützt und Fehlentwicklungen begrenzt. Unternehmen agieren auf Märkten, die ihnen Orientierung geben – vergleichbar mit einem musikalischen Taktgeber, der Rhythmus und Harmonie vorgibt. In diesem „Innovationsmischpult“ sind Märkte nicht nur Orte des Austauschs, sondern auch der Entdeckung: Sie zeigen, welche Ideen tragfähig sind, welche Produkte gebraucht werden und welche Technologien sich durchsetzen. Ludwig Erhard betonte stets, dass der Markt das effizienteste Instrument sei, um Knappheiten zu erkennen und Ressourcen sinnvoll zu lenken – auch im Bereich von Forschung und Entwicklung.
Wettbewerb als Motor der Erneuerung
Ein zentrales Element der Sozialen Marktwirtschaft ist der Wettbewerb – und dieser ist ein entscheidender Innovationsmotor. Schon Joseph Schumpeter beschrieb den Prozess der „schöpferischen Zerstörung“, bei dem neue, bessere Lösungen alte verdrängen. In der modernen Innovationsforschung wurde dieser Gedanke weiterentwickelt: Unternehmen, die sich an der technologischen Spitze bewegen, reagieren besonders stark auf Wettbewerbsdruck. Sie investieren mehr in Forschung, verbessern ihre Produkte schneller und treiben den Fortschritt voran.
Innovation ist heute selten das Werk einzelner Genies. Sie entsteht in Teams, Netzwerken und Clustern. Besonders erfolgreich sind Regionen, in denen sich sogenannte Innovationscluster bilden – also geografische Konzentrationen von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Dienstleistern, die eng zusammenarbeiten. Diese Cluster fördern den Wissensaustausch, beschleunigen Lernprozesse und erhöhen die Überlebenschancen junger Unternehmen. Auch international vernetzte Cluster gewinnen an Bedeutung, da sie Zugang zu globalem Wissen und Märkten ermöglichen. Erhard hätte in dieser Entwicklung zweifellos die konsequente Weiterentwicklung seiner Wettbewerbsphilosophie erkannt – nicht als Gegeneinander, sondern als produktives Miteinander in einem offenen System.
Innovationen brauchen Kapital – und zwar nicht nur für Forschung, sondern auch für Markteinführung, Skalierung und Weiterentwicklung. Die Struktur des Finanzsystems beeinflusst daher maßgeblich, wie innovationsfreundlich ein Standort ist. Dazu gehört auch ein funktionierender Kapitalmarkt, der Risiken trägt und Chancen ermöglicht – insbesondere für junge, wachstumsorientierte Unternehmen.
Vergessen wir die „weichen Faktoren“ nicht
Ludwig Erhard war überzeugt, dass wirtschaftliche Freiheit nur dann ihre volle Wirkung entfalten kann, wenn sie in eine Gesellschaft eingebettet ist, die Verantwortung, Bildung und Eigeninitiative hochhält. Eine Gesellschaft, die Unternehmertum wertschätzt, schafft ein Klima, in dem Innovation gedeihen kann. Neben ökonomischen und institutionellen Faktoren spielt auch die Kultur eine zentrale Rolle. Werte wie Offenheit, Risikobereitschaft, langfristiges Denken und eine positive Einstellung zum Unternehmertum fördern Innovation.
Für Erhard war Bildung ein zentrales Element der Chancengleichheit – und damit auch ein Schlüssel zur Innovationsfähigkeit. Innovationen brauchen Menschen – und zwar gut ausgebildete, kreative und engagierte Menschen. Der Fachkräftemangel ist daher eine der größten Herausforderungen für die Innovationsfähigkeit Europas. Neben akademischer Bildung spielt die berufliche Ausbildung eine zentrale Rolle. Auch Migration kann zur Lösung beitragen: Studien zeigen, dass Migrantinnen und Migranten oft besonders unternehmerisch denken und handeln – vorausgesetzt, sie stoßen nicht auf strukturelle Hürden.
Warum Offenheit entscheidend ist
Ein zentrales Missverständnis heutiger Innovationspolitik besteht in der Vorstellung, dass der Staat Innovation gezielt steuern könne – etwa durch Technologievorgaben, Subventionen oder Verbote. Innovation ist per Definition ungewiss. Niemand weiß im Voraus, welche Idee sich durchsetzen wird. Deshalb ist es gefährlich, „den Fortschritt“ zentral zu planen. Vielmehr braucht es Offenheit für viele Fortschritte – also für eine Vielfalt von Ideen, Ansätzen und Technologien. Märkte sind dafür das beste Entdeckungsverfahren: Sie belohnen, was funktioniert, und sortieren aus, was nicht trägt. Hier zeigt sich die zeitlose Weisheit von Erhards Grundsatz: Der Staat soll: „Rahmen setzen, aber nicht lenken“ – ein Prinzip, das gerade in der Innovationspolitik seine volle Gültigkeit bewahrt.
Gerade bei großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Klimawandel ist es verlockend, bestimmte Technologien politisch zu bevorzugen. Doch auch hier gilt: Besser als Verbote und Gebote sind marktkonforme Instrumente wie CO₂-Bepreisung. Sie setzen Anreize, ohne Innovationen zu blockieren. Wenn externe Effekte – etwa Umweltkosten – in Marktpreise integriert werden, können Unternehmen selbst entscheiden, welche Lösungen am effizientesten sind. Das erhöht nicht nur die Innovationsdynamik, sondern auch die Akzeptanz in der Bevölkerung.
Fazit: Die Soziale Marktwirtschaft als Innovationsarchitektur
Die Soziale Marktwirtschaft ist kein Selbstläufer – sie muss gepflegt, weiterentwickelt und gegen dirigistische Tendenzen verteidigt werden. Ihre Stärke liegt darin, dass sie Innovationen nicht vorschreibt, sondern ermöglicht. Sie schafft einen Ordnungsrahmen, in dem viele Ideen entstehen, getestet und weiterentwickelt werden können. Wettbewerb, Preissignale, Eigentum, offene Märkte, Bildung und kulturelle Offenheit sind die Bausteine dieser Architektur.
Ludwig Erhard hat die Grundlagen dafür gelegt – mit dem Vertrauen in die Freiheit des Einzelnen, in die Kraft des Wettbewerbs und in die Verantwortung des Staates, faire Regeln zu setzen. Wenn Europa innovativer werden will, braucht es keine bürokratischen Masterpläne, sondern bessere Rahmenbedingungen: weniger Bürokratie, mehr Technologieoffenheit, bessere Bildung, fairen Wettbewerb und ein positives Klima für Unternehmertum. Dann kann die Marktwirtschaft das tun, was sie am besten kann: Vielfalt ermöglichen – auch und gerade bei den Innovationen.
P.S.: Viele Anregungen zu diesem Kommentar konnte ich dem LEF-Paper Policy and Society Nr. 2/24 des Ludwig-Erhard-Forums „Innovationskultur und Innovationsordner: Erste theoretische Bausteine hin zu einem ordoliberalen Innovationsframework“ von Friedhelm Gross und Stefan Kolev entnehmen, wofür ich mich sehr bedanke.